X

Ein historischer Schatz unter der Synagoge

von Betty Arndt & Ernst Böhme

Färben in spätem Mittelalter und früher Neuzeit

(B. Arndt 24.06.2024)

Dieser Färberofen wird um das Jahr 1500 n.d.Z. angelegt. Zu dieser Zeit verwenden die Färber Wasser, in das verschiedene Pflanzen und alkalische, d. h. ätzende Zusätze gegeben werden. Die so entstehende Lauge wird zum Färben auf unterschiedliche Temperaturen erhitzt: Für Rot sehr heiß, für Blau nur warm. Die Hitze ist auch nötig, damit die Farben sich mit dem Stoff dauerhaft verbinden und nicht ausgewaschen werden.Für Blau wurde der sogenannte Färber-Waid (Isatis tinctoria) benutzt (wird auch deutscher Indigo genannt). Färber Waid wurde vor allem in Thüringen angebaut und über Erfurt verhandelt, das durch dem Waid Handel reich wurde.

Für Rot wurde Färber-Krapp (Rubia tinctorum) benutzt. Zur Herstellung der Farbe werden die Rhizome, also unterirdische Pflanzenteile gebraucht. Die mit Krapp erreichte Farbe zeichnet sich durch hohe Lichtechtheit und Waschbeständigkeit aus. Sie wurde seit dem 14. Jh. in Braunschweig angebaut.

Für Rottöne kann auch auch die Färber-Distel (Carthamus tinctorius) verwendet werden (auch Saflor genannt), allerdings sind die Farbtöne meist nicht lichtecht, weshalb in den Göttinger Quellen Krapp gefordert wird. Die Farbe wird aus den Blütenblättern gewonnen. Saflor wurde auch zum Färben von Speisen verwendet.

Für Gelbe Farben wurde Färber-Wau (Reseda luteola) benutzt. Die Farbe wird durch Kochen aus den oberirdischen Pflanzenteilen gewonnen.

Auch Safran wurde für Gelbfärbung benutzt, vor allem für Seide.

Für ein grünliches Gelb wurde die Färber-Scharte (Serratula tinctoria) eingesetzt („Schüttgelb“). Verwendet werden vor allem die Blätter. Mit Waid gemischt oder überfärbt konnte ein Grünton erzielt werden.

Für Gelb kann auch Färber-Ginster (Genista tinctoria) verwendet werden. Ich bin nicht sicher, ob das auch in Göttingen der Fall war. Es werden Zweige, Blätter und Blüten verwendet. Durch Beizen mit Alaun wird ein zitronengelber Farbton erreicht. Durch Überfärben mit Waid kann ein Grünton erreicht werden.

Ein warmes Gelb kann auch mit Färberkamille (Anthemis tinctoria) erzielt werden, ich bin nicht sicher, ob dies schon im Mittelalter der Fall war, da die Pflanze zu dem Zeitpunkt hier wohl nicht heimisch war.

Für Brauntöne und Schwarz kamen Eichenrinde und Galläpfel zum Einsatz. Ich bin nicht sicher, ob dafür nur die Rinde der Färbereiche (Quercus velutina) zum Einsatz kam, oder ob man nicht jede andere gemahlene Eichen-Rinde nehmen kann, die in Wasser aufgekocht und ziehen gelassen wird. Galläpfel eignen sich auch zur Herstellung von schwarzer Tinte. Auch Walnussschalen sind für dunkle Töne verwendbar.

Braun, Grün, Violett und Schwarz waren vor allem durch Mischung verschiedener Farben (bzw. Nacheinander färben) zu gewinnen.

Um den Farben Festigkeit zu verleihen wurden Aschen und Beizmittel (wie zum Beispiel Alaun) zugegeben

Von dem Färberofen ist die Unterkonstruktion erhalten. In einer runden Fläche aus Kalksteinen ist aus Backsteinen eine Brennkammer eingerichtet. Darin befindet sich eine rechteckige Feuerstelle aus wiederverwendeten, senkrecht gestellten Dachpfannen.

Auf dem runden Ofen wird der Metallkessel mit der Färberlauge erhitzt. Mit großen Stangen rührt der Färber die Stoffe in der Lauge um. Anschließend hängt er die langen Stoffbahnen zum Trocknen auf. In Göttingen werden die Farben Rot, Blau, Grün, Braun und Schwarz verwendet. Ihre Herstellung ist unterschiedlich teuer.

Dies ist der einzige, bisher in Göttingen gefundene Färberofen. Er gilt als der älteste bekannte Färberofen in Niedersachsen.

Neue Handwerker für die Stadt – Färber und Neue Wollenweber

von Betty Arndt & Ernst Böhme

Göttingen wird um das Jahr 1150 n.d.Z. gegründet. Die Stadt erlebt wirtschaftlich und politisch einen schnellen Aufstieg. Der Grund ist die Herstellung und der Export von Leinen- und Wollstoffen. Vor allem die Göttinger Wolltuche werden in weite Teile Nordeuropas exportiert.

Die Handwerker, die die Tuche herstellen, heißen Wollenweber. Ihr hauptsächliches Wohngenbiet liegt in der Göttinger Neustadt bei der Marienkirche. Die Göttinger Tuche sind von einfacher Qualität und nicht gefärbt.

Um 1450 n.d.Z. werden in Westeuropa gefärbte Tuche besserer Qualität hergestellt. Gegen diese Konkurrenz können sich die Göttinger Wollenweber immer weniger behaupten. Die Stadt gerät wirtschaftlich in eine Krise. Als Gegenmaßnahme wirbt man Spezialisten für die neuen Tuche und Färber an. Diese Neuen Wollenweber und die Färber verhelfen Göttingen zu einem neuen Aufschwung.

Die Neuen Wollenweber und die Färber bleiben aber als zugewanderte Arbeitsmigranten noch lange fremd in der Stadt. Sie tragen dazu bei, religiöse und politische Neuerungen durchzusetzen. Der hier ausgegrabene Färberofen ist also ein Zeugnis für einen wichtigen Wendepunkt in der Göttinger Stadtgeschichte.

Ausgegrenzt, vertrieben, ermordet: Juden im spätmittelalterlichen Göttingen

von Ernst Böhme

Im Jahr 1289 n.d.Z. lässt sich erstmals ein Jude in Göttingen nieder. Das Leben der Juden in den deutschen Städten wie Göttingen ist vielfach eingeschränkt: Um in einer Stadt wohnen zu können, benötigen sie die Erlaubnis des jeweiligen Fürsten. Dafür müssen sie viel Geld bezahlen. Sie dürfen nur wenige Berufe wie Kleinhändler und Geldverleiher ausüben, die als „unehrlich“ gelten. So verhindern die christlichen Handwerker und Kaufleute, dass die Juden ihnen Konkurrenz machen.

Über die Größe der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Göttingen ist nichts bekannt. Es sind aber selten mehr als 30 bis 40 Personen gewesen. Sie wohnen im Bereich der Jüdenstraße und der Speckstraße. Dort befindet sich auch ihre Synagoge.

Im christlichen Neuen Testament werden die Juden für den Tod Jesu Christi am Kreuz verantwortlich gemacht. Daher gelten im Mittelalter die Juden als “Gottesmörder“ und werden immer wieder verfolgt. Während der großen Pestepidemie 1347/48 n.d.Z. werden auch die Göttinger Juden beraubt, verfolgt, aus der Stadt vertrieben und ermordet.

Zwischen 1460 n.d.Z. und 1559 n.d.Z. leben überhaupt keine Juden in Göttingen. Das ist genau die Zeit, aus der dieser Färberofen stammt.